Patentschutz von Schlüsseln

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Retak
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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von Retak »

Ich denk mal, das hängt im Wesentlichen von der Formulierung der Schutzansprüche ab. Wenn dort zB. sinngemäß gesagt wird, dass der Schlüssel ein Element enthält, das sich beim einführen desselben in den Zylinder so weit zurück drücken lässt, dass der Schlüssel eingeführt werden kann und in der Endstellung aus diesem wieder so weit heraustritt, dass es die Omega Sperre entriegelt, so werden keine den Schutz einschränkenden Angaben zu Konstruktion und Gestalt dieses Elementes gemacht. Jeder Schlüssel, der ein, wie auch immer geartetes, Element enthält, das die im Patent angegebene Funktion ausführt, müsste daher unter des Schutz des Patentes fallen. Das wäre jetzt meine persönliche Meinung, vom Patentrecht selbst hab ich allerdings keine Ahnung.
Um noch mal was zum Schlüsselschutz an sich zu sagen: Hier besteht mE. eine Gesetzeslücke. Sonderprofilschlüssel (Anlagen und Sperrschliessungen, also alles, was mit Sicherungskarte geliefert wird) sollten generell, unabhängig von Patenten etc., per Gesetz gegen unerlaubtes Duplizieren geschützt sein, so dass die Anfertigung von Duplikaten ohne Vorliegen eines Eigentumsnachweises bzw. einer Berechtigung in Form der zum Zylinder bzw. der Anlage gehörenden Sicherungskarte zivil- und strafrechtlich verfolgt werden kann. Die Schlüssel sollten entsprechend ("Nur gegen Sicherungskarte", "Geschützter Schlüssel" etc.) gekennzeichnet sein, so dass sich niemand auf einen "Irrtum", der ohnehin nicht vor Strafe schützt, berufen kann.

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mhmh
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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von mhmh »

https://www.google.com/patents/EP0472495A1?hl=de
Ist dies das KESO Omega Patent?

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mhmh
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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von mhmh »

Und was ich noch erwähnen wollte: Das bewusste "Umgehen" eines Patentschutzes (auf einem anderen technischen Weg als durch das Patent geschützt) ist eine ehrenwerte Kunst, die häufig zu neuen Patenten bzw. Stand der Technik führt und keinesfalls strafbar ist.

schabe78
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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von schabe78 »

mhmh hat geschrieben:https://www.google.com/patents/EP0472495A1?hl=de
Ist dies das KESO Omega Patent?
Ja, das ist es...

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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von mhmh »

Nun, das schützte das Patent bis 2014 eine Anordnung, "... dadurch gekennzeichnet, dass das Steuerelement (19,25,26) gegen eine Rückstellkraft radial verschiebbar ist, wobei die Rückstellkraft grösser ist als diejenige der zusätzlichen Zuhaltung (10) ..."

Über Materialien sagt das Patent nichts, also hätte auch ein Steuerelement aus Gummi gegen das Patent verstoßen.

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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von schabe78 »

mhmh hat geschrieben:Und was ich noch erwähnen wollte: Das bewusste "Umgehen" eines Patentschutzes (auf einem anderen technischen Weg als durch das Patent geschützt) ist eine ehrenwerte Kunst, die häufig zu neuen Patenten bzw. Stand der Technik führt und keinesfalls strafbar ist.
alles andere wäre ja auch wettbewerbsverhindernd. Man stelle sich vor ich würde mir einen Kran patentieren lassen und anschließend anderen jegliche Hebearbeiten verbieten.

Im OMEGA-Patent steht der patentierte Aufbau mittels Stift und Feder explizit in der Zeichnung. Daher kann ich, natürlich aus meiner Sicht, keine Patentverletzung sehen, wenn man den Schlüssel mit einer Gummimechanik bastelt.

@christian: Klar würde mir jeder Kunde einen solchen "Gummischlüssel" um die Ohren hauen. Es geht ja auch nur um die Theorie. Weiterhin ist der Schaft des OMEGA-Kernstift recht "scharfrandig". Kommt der Gummi nicht vollständig wieder raus, fängt sich der Schlüssel endgültig im Zylinder.

Auch glaube ich, das es den Herstellern recht egal sein dürfte, wenn jemand Schlüssel aus Systemen, die kurz vorm Patentablauf stehen, kopiert. Soll der Kunde doch ne neue Anlage im aktuellsten System kaufen...

Zum Thema Pinkbox: das Gerät ist immernoch besser, als wenn Schlüsseldienste sich ausschließlich Paspartout-Profile von Anlagensystemen hinlegen. Das kenn ich so zu Hauf. Der Kunde möchte einen Anlagen-Einzelschlüssel und dank des PP-Profils passt der Schlüssel ungwollt auf weitere Schliessungen der Anlage.
Kann bei easyentrie zwar aufgrund der stufigen Schnittweise nicht 100%ig ausgeschlossen werden, aber in den allermeisten Fällen passts.

Gruß
Stefan

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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von mhmh »

schabe78 hat geschrieben: Im OMEGA-Patent steht der patentierte Aufbau mittels Stift und Feder explizit in der Zeichnung. Daher kann ich, natürlich aus meiner Sicht, keine Patentverletzung sehen, wenn man den Schlüssel mit einer Gummimechanik bastelt.
Da deckt sich Deine Sicht nicht mit der gängigen Rechtsprechung.

In Patenten ist der Text in den Claims relevant.

Der Rest, wie Erklärungen oder Zeichnungen, soll bloß helfen, dass Du das ganze (lizenzpflichtig) nachbauen kannst.

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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von schabe78 »

Schwierig, schwierig... Wir brauchen dringend einen unabhängigen Patentanwalt im Forum...

Zitat: Das Steuerelement 19 weist zwei Bolzen 20 auf, zwischen denen eine Druckfeder 27 angeordnet ist...

Meine Gummifüllung hat nix von dem. Ist bestenfalls 1 durchgehender Gummibolzen... :confused:

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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von mhmh »

Nun, Du könntest mal mit so einem Anwalt sprechen und Dir das erklären lassen, oder Dich z.B. via Google nach "patente lesen und verstehen" einlesen.

Was da rauskommen wird: Die als Texte verfassten Claims sind das relevante, und da gibt es eine Hierarchie. Nehmen wir mal an, Du hast folgendes erfunden und beansprucht: 1. Schlüssel aus Gold, 2. Schlüssel nach Claim 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Schlüssel Bohrungen hat.

Was wird von dem Patent abgedeckt?
- Alle Schlüssel aus Gold.
- Keiner aus Silber, auch wenn er Bohrungen hat.

Claim 2. sorgt nur dafür, dass ich jetzt nicht Spezialschlüssel aus Gold mit Bohrungen hinterher erfinde, und Du mit dafür Lizenzgebühren zahlen sollst, obwohl Du doch eigentlich den Goldschlüssel erfunden hast.

Aber Goldschlüssel mit Pickeln drauf könnte ich noch dazu erfinden.
Für Goldschlüssel mit Bohrungen und Pickeln bekommen wir dann beide Lizenzgebühren.

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Re: Patentschutz von Schlüsseln

Beitrag von fripa10 »

Die Debatte erinnert an die berühmte Frage, warum sich der Hund die Eier leckt. Weil er es kann!

Patente bei Schlössern dienen nicht nur dem Schutz des Herstellers vor unberechtigter Nachahmung, wodurch seine Entwicklungsarbeit zu seinem Nachteil von Anderen geklaut würde, sondern auch dem Schutz des Konsumenten, der oft ja ganz gezielt ein bestimmtes Schloßmodell erwirbt, damit es eben keine schwarzen Schlüssel gibt. Auch der einzelne Schlüsseldienst, der seinen Kunden entsprechende Schlösser teurer verkauft, steht mit in der Verantwortung, daß die von ihm verkaufte Ware auch hält was sie verspricht. Ich vermisse da mancherorts eine Art Ehrenkodex, geldgeile Zeitgenossen lassen sich zu Allem herab, Hauptsache der Rubel rollt. Nicht alles was technisch machbar ist, sollte man auch machen. Ich finde es erschreckend, wie krampfhaft versucht wird kleinste rechtliche Lücken aufzuspüren und auszunutzen, wo eigentlich jedem ehrbaren Geschäftsmann klar sein sollte, daß das nicht sein soll.

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