Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

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fripa10
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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von fripa10 »

Piel hat geschrieben:... sonst könnte man den Kern ja mit dem Schlüssel herausziehen
Nee, eher nicht. Anders als bei den klassischen Stiftzylindern schließen die Zuhaltungen der Sperrschiebersysteme beim Stecken des korrekten Schlüssels NICHT mit der Außenkante des Zylinderkerns ab, sondern tauchen mal oben und mal unten in die radialen Nuten des Gehäuses ein. Dadurch läßt sich der Kern zwar ein wenig herausziehen, wird dann aber gestoppt, weil die herausragenden Sperrschieber in den Gehäusenuten festhängen.

Ich vermute, daß EVVA den Standardziehschutz damit legitimiert, daß es links und rechts diese Stahl-Sperrleisten gibt, die vorn abgewinkelt sind und zum Schlüsselbart zeigen. Das sind die Dinger, wegen derer die 3KS-Schlüssel die berüchtigte "Sollbruchstelle" kurz vor der Reide ausgefräst haben.

Durch diese Sperrleisten könnte es schwerer sein, überhaupt eine Ziehschraube in den Kern einzudrehen und eventuell werden die Sperrleisten durch eine Ziehschraube auch so stark gegen die Gehäusewandung gepreßt, daß der Widerstand gegen das Ziehen gegenüber einem Normalzylinder steigt und man das in recht freier Auslegung "unbestimmter Rechtsbegriffe" als Ziehschutz vermarktet.

Wie es auch immer zu betrachten sein wird, ich würde keinen EVVA-Zylinder und auch keinen der allermeisten sonstigen Profilzylinder ohne einen anständigen Ziehschutzbeschlag verwenden. Denn es dürfte auf der Hand liegen, daß man in der Größe der Beschlagkonstruktion immer einen robusteren Ziehschutz realisieren kann, als in der Beengtheit eines Eurozylinders. Außerdem werden Zylinder meist häufiger ersetzt, als ein Schutzbeschlag. Einmal einen anständigen Beschlag montieren erspart einem dann bei jedem Zylinderwechsel wieder ein teureres Modell zu wählen, weil nur dieses (hoffentlich) einen brauchbaren Ziehschutz mitbringt.

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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von Crocheteur »

Zum Thema "Ziehschutz" : Es gibt zwei Möglichkeiten, einen Zylinder zu "ziehen" :

1.) Den Kern alleine ziehen - hier hat der Edelstahlsteg keine Bedeutung .

2.) Den ganzen Zylinder ziehen . Dabei bricht der Zylinder an der schwächsten Stelle, dem kleinen Teil ums Stulpschraubenloch . Mit einem Edelstahlsteg, der bei EVVA in der Modularversion mitgeliefert wird, ist das Ziehen des ganzen Zylinders deutlich schwerer, als ohne Edelstahlsteg .

Liebe Grüße, Crocheteur
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fripa10
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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von fripa10 »

Wobei man von 2.) nichts hat, wenn 1.) funktioniert, und das ist hier die Achillesferse.

Bei einer Tendinitis der Achillessehne kann man notfalls ja noch Procain + Dexa injizieren, wenn auch um den Preis einer zeitweise erhöhten Rupturgefahr. Aber beim 3KS bringt das auch nix. :D

Piel
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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von Piel »

fripa10 hat geschrieben:
Piel hat geschrieben:... sonst könnte man den Kern ja mit dem Schlüssel herausziehen
Nee, eher nicht. Anders als bei den klassischen Stiftzylindern schließen die Zuhaltungen der Sperrschiebersysteme beim Stecken des korrekten Schlüssels NICHT mit der Außenkante des Zylinderkerns ab, sondern tauchen mal oben und mal unten in die radialen Nuten des Gehäuses ein. Dadurch läßt sich der Kern zwar ein wenig herausziehen, wird dann aber gestoppt, weil die herausragenden Sperrschieber in den Gehäusenuten festhängen.
Das ist mir schon klar, ich wollte damit nur darauf hinweisen dass jeder Kern irgendwie gegen ein ziehen gesichert sein muss, sonst hätte man bei einem normalen Stiftzylinder u.U. beim Öffnen den Kern in der Hand. Und ein Hinweis auf einen Ziehschutz lässt auf eine besondere Sicherung schließen, bei der deutlich mehr Kraft erforderlich ist als bei herkömmlichen Zylindern. Der ICS verfügt ja neben den Schiebern auch über drei Stifte, die im gesperrten Zustand den Kern auch vor einem herausziehen schützen. Im Video des WDR sieht man ja auch, dass der Kern des 3KS beim herausziehen mehrfach kurz hängen bleibt.

Und auch wenn ich ebenfalls der Meinung bin, dass mein keinen Zylinder ohne Ziehschutzbeschlag einsetzten sollte, rechtfertigt dies in meinen Augen nicht diese irreführende Werbung. Auch wenn es keine Vorschrift gibt ab welcher Kraft man von einem Ziehschutz sprechen darf.
Crocheteur hat geschrieben:2.) Den ganzen Zylinder ziehen . Dabei bricht der Zylinder an der schwächsten Stelle, dem kleinen Teil ums Stulpschraubenloch . Mit einem Edelstahlsteg, der bei EVVA in der Modularversion mitgeliefert wird, ist das Ziehen des ganzen Zylinders deutlich schwerer, als ohne Edelstahlsteg .
Dies ist für mich eigentlich eher ein Abbrechen des Zylinders, aber ich bin da auch nicht so bewandert. Letztendlich ist ja sowieso die schwächste Stelle für die Sicherheit des ganzen Zylinders maßgebend.

So oder so hätte ich mir beim 3KS im Vergleich zu den anderen getesteten Zylindern mehr Widerstand gewünscht, gleiches gilt für den IKON. Der ISEO ist dagegen nicht besonders gut gegen ein Abbrechen (oder ein ziehen des ganzen ;) ) Zylinders gesichert. Die Kernaussage des Tests, dass es beim Kauf kaum möglich ist zu erkennen wie viel Schutz ein Zylinder wirklich bietet, scheint aber zumindest zu stimmen. Und über die Qualität der Beratung der hier in unserer Stadt ansässigen "Experten" möchte ich erst gar nicht berichten.

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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von fripa10 »

Piel hat geschrieben:Im Video des WDR sieht man ja auch, dass der Kern des 3KS beim herausziehen mehrfach kurz hängen bleibt.
Das werden die aus dem Kern herausstehenden Sperrschieber sein, die erst dazu animiert werden müssen nachzugeben oder überzurutschen.

Piel
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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von Piel »

Genau das vermute ich auch. Soweit ich es erkennen kann benutzen die auch keine spezielle Schraube, oder irre ich mich? Man kann nicht erkennen mit welchem Gerät die Schraube eingedreht wird, aber einen erhöhten Widerstand kann ich auch da nicht erkennen.

Was ich z.B. unter einem serienmäßigen Ziehschutz verstehen würde ist ein Kern dessen Beschaffenheit ein herausziehen deutlich erschwert. Beispielsweise durch eine Verjüngung zum Ende hin, oder halt durch eingreifende Hartmetallelemente. Aber dann bräuchte der Hersteller ja keine Variante mehr mit erweiterten Ziehschutz anzubieten. Für den Kunden ist es halt unübersichtlich und intransparent.

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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von boianka »

fripa10 hat geschrieben:Wobei man von 2.) nichts hat, wenn 1.) funktioniert
Naja, das kann man so, meiner Meinung nach, nur mit einer kleinen Einschränkung stehen lassen .

Leider werden bei diesen Versuchen keine vergleichbaren Zugkräfte angegeben .
Die Laborbedingungen, bei denen diese Tests stattfinden, haben nämlich fast gar nix mit der Türsituation zu tun .
Die meisten Probleme bereitet, vor Ort, das gerade Eindrehen der Zugschraube . - Oft sucht sich die Schraube ihren eigenen Weg und sitzt dann leicht schräg, was ihre Zugbelastung, vor Abriss, auf einen Bruchteil der möglichen Zuglast reduziert, wenn diese, wie im Test, exakt in Achsrichtung erfolgt .

Damit meine ich Folgendes :

*Wir verwenden eine Zugschraube, die in diesem Beispiel, bei optimalen Bedingungen 1,3 t Zugbelastung aushält,
dann nehmen wir Zylinder A, bei dem sich der Kern bei 0,8 t ziehen lässt und der Messingsteg bei 0,9 t reißt,
und Zylinder B bei dem der Kern bei 1,2 t austritt, während der Stahlsteg sich erst bei 1,4 t verabschiedet . . .

So lange die Stiftung keine vergleichbaren Testwerte veröffentlicht, kann mich ihr HokusPokus, den sie mal wieder treibt, nicht von ihren Testergebnissen überzeugen . . .

*Die genannten Werte sind frei erfunden, haben nichts mit denen realer Zugschrauben zu tun, sondern dienen meinem Beispiel nur zur Verdeutlichung der eigentlichen Problematik !

Piel
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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von Piel »

Ich vermute mal, dass Stiftung Warentest in nächster Zeit ein Fax von EVVA und evtl. von Zeiss Ikon erhält in denen nach genau diesen Werten gefragt wird. Ich glaube nicht dass EVVA oder Zeiss Ikon dieses mangelhaft einfach so stehen lässt. Und auch wenn ich den Test insgesamt als wenig transparent empfinde, so glaube ich dass es wichtig ist auf solche Dinge hinzuweisen. Vielleicht kommt dann der ein oder andere doch auf die Idee seinen Zylinder mit einem KZS auszustatten.

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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von fripa10 »

Koksa hat auch noch kein Fax von EVVA erhalten, oder? :D

Ich persönlich stelle mir unter einem Ziehschutz etwas deutlich Anderes vor, als es die EVVA-Zylinder mit dem Standardziehschutz letztlich liefern. Seriöserweise sollte man das nicht als Ziehschutz bewerben, denn mit einem Ziehschutz asoziiert man begrifflich, daß der Zylinder vor dem Ziehen geschützt sei.

Schutz heißt, ein bestimmter Erfolg, vor dem geschützt wird, tritt nicht ein. So ist es hier aber gerade nicht, von daher ist die Ware mangelhaft, da ihr eine zugesicherte Eigenschaft fehlt.

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Re: Stiftung Warentest - Schließzylinder 2017

Beitrag von boianka »

Piel hat geschrieben:Ich vermute mal, dass Stiftung Warentest in nächster Zeit ein Fax von EVVA und evtl. von Zeiss Ikon erhält in denen nach genau diesen Werten gefragt wird. Ich glaube nicht dass EVVA oder Zeiss Ikon dieses mangelhaft einfach so stehen lässt.
Selbst wenn ! - Die Stiftung hat ein dickes Fell, - da ändert sich gar nix . . .

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