Handtuch vor der Hoteltür?

Zerstörungsfreie Schlossöffnung, Fragen zu den verschiedenen Werkzeugen und freier Informationsaustausch

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Piel
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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von Piel »

Moldovan hat geschrieben:Ps: Tor ist nur was für leude mit gesundem Menschen verstand , die tor nicht zum Warlos Kagge bauen nutzen nachdem man sich volllaufen lassen hat !
Früher habe ich auch mal Tor benutzt, ich habe auch die Entwicklung von JAP im Projekt AN.ON der TU Dresden von Anfang an mitverfolgt. Allerdings habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass man von solch prominenten Diensten solange die Finger lassen sollte, wie sie nicht allgemeiner Standard sind. Nutzt man solche Dienste, muss man dem Betreiber voll und ganz vertrauen können. Und solange nur ein kleiner Teil der Internet-Nutzer diese Dienste nutzt, sind sie ein bevorzugtes Ziel von kriminellen und Behörden. Ganz nach dem Motto: Wer nichts zu verbergen hat, braucht ja auch keinen anonymen Proxy.

Beim JAP Proxy wurde z.B. die Herausgabe des Protokolldatensatzes erzwungen. Zwar wurde später festgestellt, dass dieses Vorgehen rechtswidrig war, trotzdem sind die Verbindungsdaten allesamt beim BKA gelandet. Theoretisch hätten auch die Inhalte abgegriffen werden können.

Gleiches Problem bei Tor, davon abgesehen dass Tor einige Schwächen im grundlegenden Design hat sind die Nutzer immer wieder Ziel von Angriffen seitens den Behörden. Dabei werden fleißig Daten gesammelt, Kollateralschäden werden bewusst in Kauf genommen bzw. sogar erwartet. Anders als viele Leute denken ist der Aufwand um eine bestimmte Tor Verbindung anzugreifen gar nicht mal so hoch.

Ich spare mir daher diesen ganzen Aufwand, da der Sicherheitsgewinn eher fraglich ist, und benutze eine normale Transportverschlüsselte Verbindung zum Online Banking. Allerdings habe ich schon vor langer Zeit meine iTAN Liste gegen einen ChipTAN Reader getauscht. Das ChipTAN Verfahren ist soweit mir bekannt ist sicher, solange man genau prüft ob die vom Gerät angezeigten Daten mit der Transaktion überein stimmt. Anderenfalls kann auch das ChipTAN verfahren umgangen werden. Dies liegt aber, nicht wie im verlinkten Beitrag behauptet, am System selbst, sondern eher an der menschlichen Dummheit.

Dieser Beitrag vom RBB erinnert mich auch an das Geschrei bez. TrueCrypt, dass es angeblich nicht mehr sicher sei, weil sich mit einem im MBR eingenisteten Tool das Passwort der Pre-Boot Verschlüsselung auslesen lässt. Dabei wird halt übersehen, dass solche Programme grundsätzlich keinen Schutz vor physischen Angriffen auf den PC geben (siehe: BSI - Security Analysis of TrueCrypt (11/2015) - Abschnitt 7.4). Ein Angreifer könnte auch schlicht eine manipulierte Tastatur anschließen und dadurch das Passwort aufzeichnen (ein Problem welches ich auch bei elektronischen Tresorschlössern sehe). Wer kontrolliert schon jedes mal das innere seiner Tastatur auf evtl. Veränderungen? ;)

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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von mhmh »

Aber wieso siehst Du das Problem nur bei elektronischen und nicht auch bei mechanischen Tresorschlössern? Drehpositionsmessung ist leicht im ZKS-Knauf versteckt; und mechanische Zuhaltungen einfärben und später nachschauen, wo die Farbe weggeschabt ist (beschleunigtes „Belly Reading“), ist ein uralter Trick.

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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von Piel »

mhmh hat geschrieben:Aber wieso siehst Du das Problem nur bei elektronischen und nicht auch bei mechanischen Tresorschlössern? Drehpositionsmessung ist leicht im ZKS-Knauf versteckt; und mechanische Zuhaltungen einfärben und später nachschauen, wo die Farbe weggeschabt ist (beschleunigtes „Belly Reading“), ist ein uralter Trick.
Weil es bei den meisten elektronischen Schlössern recht einfach umzusetzen und schwer zu erkennen ist.

Bei einem mechanischen ZKS lässt sich sowas recht leicht erkennen sofern man mit diesem Angriff rechnet. Die Auswahl des ZKS-Knauf spielt hier auch eine Rolle, zur Not nehme ich einen transparenten Knauf. ;) Mal anschaulich erklärt: Ich kann den ZKS-Knauf entfernen und sehen ob da etwas drin ist was nicht da rein gehört. Aber wie will ich in den Mikrochip in einem elektronischen Tastenfeld reinschauen? Wie will ich sicherstellen dass nicht schon vom Werk ab eine Hintertüre drin ist? Ein ZKS kann ich ohne riesigen Aufwand komplett zerlegen und analysieren. Jeder der z.B. einen Arduino programmieren kann auch ein solches Tastenfeld manipulieren. Die Kombination eines mechanischen ZKS abzureifen erfordert nicht nur Ahnung von Elektronik bzw. Programmierung.

Ein elektronisches ZKS sollte m.A.n. unbedingt gegen manipulation geschützt sein, ich denke da z.B. eine eine Sperre die auslöst sobald das Tastenfeld irgendwie manipuliert wird. Natürlich bräuchte man dann ein mechanisches Schloss als Backup (z.B. ein mechanischen 4-Scheiben ZKS), mit dem man den Tresor öffnen kann auch wenn das elektronische ZKS gesperrt wurde. Irgendwo habe ich diese Kombi auch schon mal gesehen, weiß aber nicht mehr wo. Nur war dort das Tastenfeld nicht gegen manipulation geschützt, das mechanische ZKS war nur als Backup vorhanden falls das elektronische Zahlenschloss defekt sein sollte.

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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von mhmh »

Notmalschlösser gibt es tatsächlich schon lange, siehe z.B. hier: http://blog.tresoroeffnung.de/2009/10/1 ... tion-lock/

Aber wirklich: Bevor Du Dir einen transparenten Knauf für Dein mechanisches ZKS bastelst, kann Du auch Dein elektronisches Tastenfeld geeignet versiegeln. Gerne auch elektronisch, mit einem Überwachungssystem, dass Deinem Prüfgerät nur dann Challenges beantwortet, wenn das Tastenfeld nie abgenommen wurde.

P.S. um die Drehbewegung eines Arduinos auf's Grad genau zu messen benötigt man eben tatsächlich nur Ahnung von Elektronik und Programmierung.

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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von Piel »

mhmh hat geschrieben:Notmalschlösser gibt es tatsächlich schon lange, siehe z.B. hier: http://blog.tresoroeffnung.de/2009/10/1 ... tion-lock/ Aber wirklich: Bevor Du Dir einen transparenten Knauf für Dein mechanisches ZKS bastelst, kann Du auch Dein elektronisches Tastenfeld geeignet versiegeln. Gerne auch elektronisch, mit einem Überwachungssystem, dass Deinem Prüfgerät nur dann Challenges beantwortet, wenn das Tastenfeld nie abgenommen wurde. P.S. um die Drehbewegung eines Arduinos auf's Grad genau zu messen benötigt man eben tatsächlich nur Ahnung von Elektronik und Programmierung.
Sag ich doch, nur nicht in der von mir erwähnten Kombination. Es gab bereits einige zertifizierte elektronische Zahlenschlösser von bekannten Herstellern welche Backdoors hatten oder bei denen Seitenkanalangriffe funktionieren, da nützt mir eine Versiegelung oder Überwachung herzlich wenig. Und was den Arduino angeht: Packe mal eine Arduino oder Raspberry Pi in den Knauf eines ZKS, da brauchst Du schon eine spezielle Lösung die über das reine programmieren eines Arduinos hinaus geht.

Bei den sogenannten Skimming Attacken auf EC-Karten Terminals wurde z.B. festgestellt, dass es bei vielen Terminals nicht einmal notwendig ist die vorhandene Elektronik zu verändern, es wird einfach ein modifiziertes Programm auf den verbauten Mikrocontroller des Tastenfelds gespielt. Dieser bietet von Haus aus genug Speicherplatz um einige tausend PINs zu speichern, man benötigt quasi nur das Terminal und ein wenig Programmier-Kenntnisse um das vorhandene Programm zu erweitern. Dabei sollten diese Terminals laut dem Hersteller eigentlich gegen Manipulation geschützt sein. Schwieriger ist es dann schon an die Informationen auf der EC-Karte bzw. die Transaktionsdaten zu kommen, dies spielt bei einem Tresorschloss aber natürlich keine Rolle.

Ich bleibe dabei: ein mechanisches ZKS ist bei entsprechender Vorsicht gegen das Ausspähen der Kombination sehr robust, bei einem elektronischen Zahlenschloss kann man dagegen keinerlei verlässliche Aussage zur Sicherheit machen. Man muss dem Hersteller und dem Händler vertrauen.

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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von mhmh »

Piel hat geschrieben:Es gab bereits einige zertifizierte elektronische Zahlenschlösser von bekannten Herstellern welche Backdoors hatten
Du weißt aber schon, dass das CodeCombi B Problem ein Angriff auf die Mechanik war?

Und wie man auf ein versiegeltes Tastenfeld einen Seitenkanal-Angriff machen will, ohne die Versiegelung zu beschädigen, das erklär mir mal bitte, ich lerne immer gerne dazu ;)

Dass man einen Raspberry Pi nicht sinnvoll hinter den Knauf eines ZKS bekommt, ist ja klar. Aber ein Arduino Nano misst 18mm x 45mm.

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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von Piel »

mhmh hat geschrieben:
Piel hat geschrieben:Es gab bereits einige zertifizierte elektronische Zahlenschlösser von bekannten Herstellern welche Backdoors hatten
Du weißt aber schon, dass das CodeCombi B Problem ein Angriff auf die Mechanik war? Und wie man auf ein versiegeltes Tastenfeld einen Seitenkanal-Angriff machen will, ohne die Versiegelung zu beschädigen, das erklär mir mal bitte, ich lerne immer gerne dazu ;) Aber ein Arduino Nano misst 18mm x 45mm.
Ich habe die falsche Seite verlinkt, ich meinte diesen Beitrag von dem Blog. Man kann sich darüber streiten ob dies nun ein Backdoor ist oder nicht, für mich ist dies zumindest in einem Fall ein Backdoor.

Und bei solchen Schwachstellen wie Seitenkanalangriffe oder Backdoors ist es doch vollkommen wurscht ob man den Angriff sieht weil man doch direkten Zugriff hat? Was nützt die Versiegelung, wenn ich die Kiste nach 15 Minuten offen habe? Dies mag höchstens für die Versicherung interessant sein. Diese Versiegelung nützt höchstens gegen eine manipulation um den PIN abzugreifen, aber woher weißt Du das der notwendige Code zum Aufzeichnen oder die Backdoor nicht schon in der Elektronik steckt? Entsprechende Beispiele gibt es ja. Man kann es drehen und wenden wie man will, man kann als Kunde keine verlässliche Aussage zur Sicherheit dieser elektronischen Schlösser machen, selbst wenn diese zertifiziert sind.

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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von fripa10 »

So, ich habe erst einmal ein Handtuch vor meinen PC gelegt, sicher ist sicher!

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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von mhmh »

Piel hat geschrieben:Man kann es drehen und wenden wie man will, man kann als Kunde keine verlässliche Aussage zur Sicherheit dieser elektronischen Schlösser machen, selbst wenn diese zertifiziert sind.
Du hast Recht.
Da hilft nur selber bauen, wobei man beim ersten Mal vermutlich auch genügend Fehler macht - also Open Source und Peer Review.

Damit müsste man allerdings dann erheblich bessere Sicherheit erreichen können als mit Mechanik, die hält ggü. Spezialwerkzeug auch nicht lange:
http://public.safeventures.com/news/5_t ... f-s.e.m.s/
http://public.safeventures.com/tools/99_s.e.m.s./

Den Angriff auf die LaGards halte ich persönlich nicht für eine Backdoor, sondern für eine Schwachstelle. Und die Tatsache, dass man Geheimnisse in Mechanik nicht so gut verstecken kann wie in Mikroelektronik, halte ich heutzutage auch für eine Schwachstelle, weshalb ich denke, dass die Zukunft von Hochsicherheit der Elektronik gehört.

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Re: Handtuch vor der Hoteltür?

Beitrag von Piel »

fripa10 hat geschrieben:So, ich habe erst einmal ein Handtuch vor meinen PC gelegt, sicher ist sicher!
Vergiss aber nicht, unbedingt auch ein Handtuch bei Dir zu tragen! Und immer dran denken: Don't panic! ;)

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