Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

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Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von Gäste »

Hi,
ich hasse Autoscheibenwischer. Neuerdings.
Warum? Wie ich in https://www.koksa.org/viewtopic.php?f=46&t=21257 erwähnt hatte, hat man mir das Anfänger-Pickset vom Buchhändler bei der Post aus dem Karton gefingert. Drin war nur noch ein nicht allzu interessantes Buch für einen guten Euro, der bekannte Trick, um die Versandpauschale zu vermeiden. Hab' zwar sofort eine Gutschrift gekriegt, aber natürlich immer noch keine Spanner und Picks im Hause.
Zum Selbermachen wird vor allem empfohlen, sich die Flachfeder aus Scheibenwischerblättern zu besorgen, aber ich hab' kein Auto, die nächsten Werkstätten sind Stunden bei einer Roundtour per Bus entfernt und Schrottplätze Tagesreisen mit dem Fahrrad weit weg (der nächste ist, glaube ich, der von den Ludolfs). Ich könnte noch meinen Laubbesen ausschlachten, der in allen Bastelanleitungen unter dem Titel "Straßenkehrerborsten" als Materiallieferant empfohlen wird (habe ich erst spät kapiert), aber der begleitet mich seit fast 20 Jahren. Er hat zwar nur um drei Mark bei Praktiker gekostet, aber ich hab' das Scheißding, das mit seiner blechernen Verstellschraube nie fest zu kriegen war, so oft zurechtgeschweißt (seit dem modernen Inverterschweißgerät sogar erfolgreich), dass es mir an's Herz gewachsen ist.
Andere Empfehlungen für passende, dünne und dennoch ausreichend feste Ausgangsmaterialien habe ich nicht gefunden oder sie waren für mich nicht praktikabel, außer vielleicht Fühlerlehrenband. Was ich natürlich sowieso nicht greifbar hatte.

Ich stelle mal meine improvisierte Bastelei zur Diskussion. Wenn die Vorgehensweise untauglich ist, kann ich von Kritik nur profitieren. Wenn einige Tipps neu sind für andere, um so besser.

Material: Was habe ich da? Die Flops (etliche) lasse ich mal weg:
- Von irgendwann Federstahldraht von einem Versender für Modellbau-Bedarf, 1.2mm
- Drahtkleiderbügel, gekaufte, aus Edelstahl 3.2 Millimeter Durchmesser, gibt's beim Buchhändler zum Stückpreis von ca. 35 Cents. Die, die von den Wäschereien kommen, haben nur 2,2 Millimeter und sind nach Festigkeit und erzielbarer Klingenbreite nicht für Spanner und Dietriche zu gebrauchen.

Beide Ausgangsmaterialien haben sich als zäher, fester Stahl erwiesen, weit besser als irgend ein Zaundraht.

Verarbeitung: Biegen und auf die gewünschte Stärke schleifen.
Biegen: mit einem Flambiergerät, wie es jetzt, wo es auf die Feiertage zugeht, bei den Discountern um 7-8 Euro erhältlich ist. Damit Alkohol auf Lebensmitteln oder in Tassen abzubrennen, ist zwar in meinen Augen die größte Verschwendung eines wertvollen Nahrungsmittels, die ich mir denken kann, aber in einer metallverarbeitenden Bastlerwerkstatt sind die unverzichtbar. Sie sind mit normalem Feuerzeuggas nachzufüllen und arbeiten nach dem Bunsenbrennerprinzip (reissen vor der Zündstelle die optimale Luftmenge mit dem Gasstrom mit) bei Temperaturen um 1300 Grad.
DSCN6104.JPG
Man kann natürlich auch Gaslötkolben oder Lötbrenner von Rothenberger, RSonic, Dremel, Ferm und so weiter für 20-30 Euro kaufen, die arbeiten nach demselben Prinzip und mit derselben Leistung. Veritable Lötlampen, wie ich eine von CFH habe, sind viel zu groß und in der abgegebenen Wärmemenge zu hoch.

Mit der nadelfeinen Flamme kann man dünnen Draht im Nu weißglühend erhitzen (das ist zu heiss, dunkle Rotglut ist am besten und die erzielt man dann auch bei den größeren Drahtstärken):
DSCN6100.JPG
So ausgerüstet, braucht es nur noch ein oder zwei Zangen und ggf. was Rundes als Biegeschablone, wie den Schaft eines Schraubendrehers, um sich seine Hooks und Spanner nach Herzenslust erst einmal in Form zu biegen. Ich gehe davon aus, daß der Federstahldraht dabei ent-härtet wird und seine Spannkraft zum Zurückfedern verliert. Ich habe mich aber gehütet, ihn bzw. das Endprodukt durch Eintauchen in Wasser wieder zu härten, der soll seine ihm eigene Zähigkeit zeigen und zu federn braucht für unsere Zwecke nichts.
Hier im Forum wurde über die Jahre öfter danach gefragt, wie man besagte Straßenkehrerborsten usw. bruchfrei biegen kann. Auch hierfür kommt natürlich unser Flambierfeuerzeug zum Einsatz.

Jaa, aber ... was soll man mit einem runden Draht vom Durchmesser 1.2 Millimeter bei Picks? Oder einem Kleiderbügel von 3,2mm mit rundem Querschnitt?
Nach dem Biegen zeigt sich hier eine weitere wichtige Anwendung unseres Flambierfeuerzeuges: Schmieden. Das Werkstück wird auf dunkle Rotglut oder auch nur unsichtbare Hitze erwärmt und wir klopfen uns die Enden auf gut die benötigte Dicke mit einem Hammer auf einem großen Schraubstock, Fäustel oder Vorschlaghammer zurecht und treiben das Material auf die gewünschte Form und Dicke aus.
Das ist der Knackpunkt! Würden wir Material wie einen dicken Nagel oder einen alten Schraubendreher nehmen und dünn schleifen, so würden wir die Festigkeit auf ein nicht akzeptables Maß verringern. Beim Ausschmieden formen und komprimieren wir die Struktur des Eisens verlustfrei und erhöhen noch die Festigkeit durch die gleiche Ausrichtung der Faserstruktur.
Aus dem 1.2mm Federdraht wurde ein Pick von 0,6mm Stärke. Den Spanner aus dem 3.2 Millimeter Kleiderbügel habe ich mir erstmal zu einer Breite von 4.0 Millimeter und einer Stärke von 1.0 Millimeter geformt. Ich bin mangels Erfahrung noch nicht sicher, ob diese Maße optimal sind, aber den Schließzylinder drehen sowie die Zuhaltungsstifte ertasten und bewegen kann ich damit bereits.

Erst, wenn wir die ungefähre Form erreicht haben, gehen wir zu Schritt 3 weiter: auf die präzise Stärke zuschleifen. Das könnten wir bestimmt mit einer Feile, einem Schleifstein oder einem Dremel machen. Ich nehme dazu den Doppelschleifbock, wobei ich nicht das Werkstück einfach drandrücke (federt und lässt keine exakte Bearbeitung zu), sondern presse es mit dem dicken Ende eines Bleistiftes an und kontrolliere das Ergebnis oft. So kann ich die Stelle und den Druck besser steuern.

Tadaa ... ich habe meinen ersten Hook und meinen ersten Spanner:
DSCN6106.JPG
Sie federn nicht weg, sie sind nicht bruchanfällig, ich kann mir beliebig viele verschiedene basteln oder diese noch ändern, und sie haben nichts gekostet :) .
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Zuletzt geändert von Gäste am 3. Dez 2017 22:33, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von rondeLoro »

wwfrickler hat geschrieben: und sie haben nichts gekostet :) .
Doch: Zeit. Und Zeit ist Geld! :wngn:

:respekt:

Gäste

Re: Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von Gäste »

rondeLoro hat geschrieben:
wwfrickler hat geschrieben: und sie haben nichts gekostet :) .
Doch: Zeit. Und Zeit ist Geld! :wngn:
Stimmt, das kommt noch hinzu. Die Kohle, die so'n Set gekostet hätte, hab' ich auch noch gespart :p .

Ich hatte aber auch das Gefühl, daß alles, was einem als Anfänger so im Internethandel bezahlbar angeboten wird, nichts taugt. Wenn man die gekauften Rezensionen beim Buchhändler mal beiseite lässt (die mit dem Werbesprech, und klickt man auf den Namen, so haben die Leutz in ihrem Leben noch nie was anderes als 5-Sterne-Bewertungen abgegeben, und/oder alle, die in der gleichen Woche eine geschrieben haben, haben rein zufällig auch genau das gleiche Sortiment an Geräten bewertet, oder jemand hat sich fünf Handyhüllen in einem Monat gekauft und alle bestens bewertet), dann bleiben verdammt viele, die über die Hooks zum Beispiel sagen, sie seien ja noch in den Übungszylinder reingegangen, bevor der in alle Einzelteile zerfallen sei, aber für hiesige Schlösser seien sie viel zu klobig.
Dazu kommen Berichte, daß die gekauften Picks abbrechen. Mag ja sein, dass das möglich ist, wenn die Werkzeuge aus gestanztem chinesischen Konservendosenblech sind. Bei meinen selbstgemachten kann ich mir das nicht vorstellen, und wenn doch, dann mach' ich halt ein Neues.
Zuletzt geändert von Gäste am 3. Dez 2017 16:08, insgesamt 2-mal geändert.

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boianka
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Re: Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von boianka »

Hier noch eine Materialidee übrigens bitte kalt biegen und/oder kalt schmieden (Beispiel : Speichen), denn die Federwirkung ist oft (nicht von Jedem) schon gewünscht, auch kann man dünner schleifen, ohne dass das Material ausglüht und die vorhandene Federkraft verliert . . .

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Re: Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von Gäste »

<Kopfkino läuft> Ich glaub', wenn ich als frauenloser Rentner im nächsten Kleinstadt-Modengeschäft fühle, ob ich einen Bügel-BH in der Hand halte, schmeissen sie mich direkt raus?! Auf die Wäscheleine hängen die hier bei leichtem Pappschnee-Fall (=Fertigmatsch) nix raus, und an der Bushaltestelle genau gucken, um wen zu finden, dem ich einen abschwatzen kann, könnte auch Unfrieden bringen ;) .
<grübel> Oder meine Ex fragen? Ich bin doch froh, daß sie - hoffentlich - nicht mitgekriegt hat, wo ich inzwischen hingezogen bin :rolleyes: .

Was kalt biegen betrifft, so bin ich dagegen. Das muss man aber wohl je nach Material, Biegegrad und -Stärke abwägen. Bei solchen Projekten hatte ich bisher nur die Wahl, ob ich einen großen Biegeradius und einen Haufen Risse erziele oder eine scharfe Form und gleich einen Bruch. Und etwas wie eine Fahrradspeiche kalt auf die doppelte Breite hämmern, da möchte ich mal zusehen.
Mit ein bisschen Experimentieren kann man sicher auch die Härtetemperatur steuern und die vorige Elastizität wieder herstellen. Die Gefahr kommt mir größer vor, dass man diese zierlichen Dinger beim Schleifen ausglüht. Dann kann ich nämlich nicht ausprobieren, ob ich von Weissglut, Gelb, Rotglut neu härte, wenn es denn sein soll.

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Re: Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von SelfLockmaster »

rondeLoro hat geschrieben:
wwfrickler hat geschrieben: und sie haben nichts gekostet :) .
Doch: Zeit. Und Zeit ist Geld! :wngn:

:respekt:
Bei unserer Hobby "Liebhaberei" kann der Kostenfaktor gerne mal ausgeblendet werden.
Aber Du hast Recht, man darf sich da nichts vormachen.
Es lohnt sich wirklich nur, wenn man was ganz Spezielles braucht, etwa für Bohrmulden oder Hübbsche :D Haken.

Anfänger sollten sich das zumindest für normale Picks nicht antun, da gibt es wirklich gute Sachen für wenig Geld.
Ich habe mir auch mal Picks selber gemacht, ich würde es heute nicht nochmal tun wollen.
Zum wirklichen Basteln bleiben immer noch genügend andere Werkzeuge wie Spanner in allen möglichen Formen.

Ansonsten gilt natürlich, Respekt wer's selber macht !

Gäste

Re: Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von Gäste »

Halb so wild ... das Posting abzufassen, hat zehnmal so viel Zeit verbraucht, wie wohl viele unter Euch wissen dürften, die Tutorials oder sonstwas mit Sachfotos eingestellt haben.
Dazu kommt aber was Anderes. Hab' nie rausgekriegt, wofür der Domainname "koksa" steht, aber dies hier ist ersichtlich ein Forum für den Picking-Sport. Ich will aber gar nicht in dieser Sportart auf die Olympiade. Ich will Spaß haben und mich mit der faszinierenden Materie beschäftigen, und ob ich ein Schloß "X" aufkriege oder nicht, oder später, ist mir dabei egal. Und so habe ich dieser Tage sehr viel, und ich meine sehr sinnvolle, Zeit mit dem Background verbracht. Inclusive, was für Werkzeuge man benötigt. Dieselbe Zeit hätte (ups, hatte) ich damit verbracht, was es wo billig gibt und was andere über die angebotene Ware geschrieben haben. So habe ich stattdessen ein Stündchen (mein WaschküchenhobbyWerkstattLagerHeizungsAnschlußraum ist genau auf der anderen Seite meiner Tür hier neben dem Sitzplatz, also mehr Zeit ist da nicht draufgegangen) damit verbracht, auszuprobieren, wie breit, welcher Winkel, wie halte ich das Ding und so weiter. Es gibt ein paar Abbildungen mit Picks vor Zoll-Linealen, aber im Prinzip habe ich die Werkzeuge nochmal nachvollzogen. Ist für jemanden, der nicht am nächsten Picking-Wettbewerb teilnehmen will, doch genausogut bis besser.

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Schiffhexler
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Re: Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von Schiffhexler »

Moin wwfrickler

Die ersten Picks, zum Testen, habe ich aus den Blättern von Puksägen (kleine Handsägen) mit eine Drehmel und Schleifstein hergestellt.

Gruß vom Schiffhexler

:)
In der Ruhe liegt die Kraft und in der Ausdauer die Geschicklichkeit.

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Re: Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von Gäste »

Kenne ich. Ein guter Grund, sich die stumpf gewordenen (oder die aus untauglicher Wühltischware) beiseitezulegen.

Gäste

Re: Anfänger bastelt sich Spanner und Picks

Beitrag von Gäste »

Oh, ich habe mein erstes Schloß geraked ;jump; .
Nachdem ich bereits 120 der 237 Seiten Postings hier durchgeguckt und ein paar Links gefolgt bin, wollte ich eigentlich nur gucken, welche von meinen Zweiradschlössern anfällig gegen schnelle Öffnung sind.
Das 20-Euro-Citadel (Scheibenzuhaltung, war mal Testsieger) für's häufig benutzte Pedelec ist nicht gegen shimming empfindlich, das mächtige uralte Trumpf, dem ich die zusätzliche Sicherung meines Motorrollers anzuvertrauen pflege, lässt sich ohne Schlüssel zusammenstecken, d.h. die Zuhaltungen federn. Da noch ein Stück Blech von einer Coladose reinzufriemeln, wäre der letzte Beweis. Möglich, daß ich noch Ringe auf den U-Bügel löte, die das verhindern.
Aber wo ich's doch schon mal in der Hand halte, könnte ich doch den oben abgebildeten Spanner und den Haken reinstopfen. Wie in den Tutorials gaaanz wenig Druck auf den Spanner und den Haken wieder rausziehen ... klick <huch> und das Schloß ist offen.
Das war mal ein schneller Erfolg (ca. zehn Sekunden, reproduzierbar). Das ist mal ein Sch...Schloß, wenn Ihr mich fragt :mad: .
Jetzt beginnt die Pickerei dann doch, Ausgaben zu verursachen. Der sportliche Unterhaltungseffekt steht für mich ja nicht im Vordergrund, sondern derzeit geht es alles um Schlösser, die ich einsetze oder zum Einsatz auswähle, und ein wichtiges Vorhaben ist: wenn ich's aufkriege, schmeiße ich es weg und kauf' was Besseres <seufz>.

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